Wir müssen alle sterben!

Ich gebe ja zu, dass dieser Titel etwas reisserisch ist, aber was der TÜV und die Aufzugsfirmen können, kann ich schon lange!

Plakette

Nach viel Lobby-Arbeit schaffte es der TÜV dass sich Beamte eines Ministeriums zu folgender Stellungnahme hinreißen ließen: „Man mag sich nicht ausmahlen, dass Kinder, Kranke oder eine Schwangere auf dem Weg zur Entbindung aufgrund einer Funktionsstörung im Aufzug stecken bleiben oder durch unkontrolliertes Anfahren bei geöffneten Türen eingequetscht werden!“ *

Dieser Satz fiel im Zusammenhang mit der geplanten Reduzierung der Prüfpflichten bei Aufzügen, die der TÜV gerade mit viel Lobbyarbeit verhindert hat. Der Artikel im Spiegel hat den Titel „Spiel mit der Angst“. Diese Angst haben die Beamten mit obigen Satz schön zusammengefasst.

Natürlich werden im Jahr etliche Menschen in Aufzügen verletzt (zuletzt im Jahr 2014: ca. 22 Personen (Zahlen bis 25.9.), davon die meisten nur leicht) und  manchmal sterben sogar Menschen (zw. 1 und 5 Personen pro Jahr). Die abnehmende Tendenz zeigt, dass eine Prüfung durchaus sinnvoll ist. Die Frage ist nur, ob es vielleicht nicht zu viel wird mit der Prüferei. In unseren Nachbarländern Dänemark und Frankreich wird nur alle 3 bzw. 5 Jahre geprüft, nicht wie bei uns jedes Jahr.*

Ich muss natürlich zugeben, dass nicht nur der TÜV mit dem ganzen Geprüfe Geld verdient, wir mit unserem Büro schon auch. Durch den immensen Umfang der Betreiberpflichten die ein Eigentümer eines Gebäudes hat, sind viele von denen überfordert oder verunsichert. Und dann beauftragen sie gerne einen Dienstleister wie uns, der sich um das alles kümmert.

Ich würde aber natürlich meinen Kunden lieber bei den energetischen Optimierungen beraten als bei der Erfüllung der 1000 Betreiberpflichten zu helfen. Aber für solche Sachen bleibt dann meistens keine Zeit mehr, und auch kein Geld.

Aber es verdienen viel zu viele Leute Geld mit der Gefahr „Betreiberverantwortung“. Die Email die mich dann endgültig zum Schreiben dieses Artikels animiert hat, war ein Newsletter der Aufzugsfirma KONE mit dem Betreff:

„Mit einem Fuß schon im Gefängnis? Verschärfte Betreiberpflichten!“

In Deutschland ist meines Wissens noch kein verantwortungsvoller Betreiber eines Gebäudes wegen Unterlassung von Betreiberpflichten in das Gefängnis gegangen (Betreiber die mutwillig gegen Regeln verstoßen, nehme ich von dieser Behauptung aus). Diese Email hat die Qualität BILD-Schlagzeile. Eine Behauptung aufstellen und dann ein Fragezeichen dahinter!

Noch ein Beispiel:

Ich war auf einer Baustellenbesichtigung der Elbphilharmonie.

Elbphilharmonie

Elbphilharmonie

Auch die haben Problem mit dem Brandschutz, jedes Großprojekt kämpft hier offensichtlich, nicht nur der Hauptstadtflughafen BER.

Ein Problem war hier die lange Bauzeit. Unglücklicherweise änderten sich bei einer Vielzahl der Brandschutzklappen während der Bauzeit die bauaufsichtliche Zulassung.

Ab der neuen Zulassung mussten die Brandschutzklappen nun anders eingebaut werden. Da die Lüftungsanlagen in der Elbphilharmonie noch nicht vom Bauherrn abgenommen wurden, und der Errichter der Anlage zum Zeitpunkt der Abnahme ein Werk schuldet, dass den Normen und Zulassungen entspricht, waren also die Klappen nicht mehr Normkonform.

Somit sollten die Brandschutzklappen alle wieder ausgebaut und neu eingebaut werden. Völlig egal, ob die Klappen ein paar Monate vorher völlig konform montiert wurden. Was das an sinnlosen Kosten produziert! Ich hoffe die konnten sich noch irgendwie einigen und die Dinge sind drin geblieben. Leider habe ich hier keine aktuelleren Informationen mehr.

Als Hintergrund muss man noch sagen, dass es in Deutschland zwar jedes Jahr ca. 400 Brandtote gibt, aber fast alle im häuslichen Bereich (70% davon nachts). Dort wo kaum Geld für Brandschutz ausgegeben wird, und selbst die Einführung der höchst sinnvollen Brandmelder Jahre dauert.

Ich bin der Meinung, dass man mit den Millionen an Euros die jedes Jahr für zu viel Prüfung und zu viel Brandschutz ausgegeben werden, an anderer Stelle viel mehr akut gefährdete Leben aktiv gerettet werden könnten, viel mehr als realistisch mit den zusätzlichen Prüfungen und umfangreichen Brandschutz evtl. verhindert werden könnte. Lieber ein Leben sicher retten als nur eine vielleicht möglicher Gefährdung ausschließen.

Aber es wird nur eine Richtung geben. Kein Beamter wird jemals eine Vorschrift bei der es um die Reduzierung der Gefährdung von Menschen geht, zurück nehmen. Lieber wird bei einer neuen potenziellen Gefahr eine neue Vorschrift erlassen.

Prüfungen, Betreiberverantwortung, Brandschutz: alles ja, aber die Kirche bitte im Dorf lassen.

*Quelle: Der Spiegel 6/2015; S.67